Beitrag vom 22.04.2022
Els van Hoorebeeck stammt aus Belgien, hat in Brüssel studiert und bei Vitra ihre ersten Arbeitserfahrungen gesammelt. Von dort zog es sie nach London und schliesslich nach Kopenhagen, wo sie heute als Head of Design bei &Tradition arbeitet und für die Entwürfe des beliebten skandinavischen Labels verantwortlich ist. Eine wirklich spannende Vita und eine mindestens ebenso spannende Persönlichkeit – wie wir bei unserem Besuch in Els Kopenhagener Apartment feststellen durften. Wir haben mit Els über die Grosszügigkeit in kleinen Räumen, gemütlichen Minimalismus, Farbwelten und die Veränderung ihrer Räumlichkeiten im Laufe der anhaltenden Pandemie gesprochen.
Liebe Els, du bist Head of Design bei &traditon – ein echter Traumjob für jeden Interior-Fan. Erzähl uns etwas zu deinem Werdegang. Was hat dich zu dieser Stelle geführt und was waren Zwischenstationen auf dem Weg dahin?
Nachdem ich für Vitra in Belgien gearbeitet hatte, folgte ich meinem Herzen nach London und begann für einen Anbieter von flexiblen Arbeitsplätzen/Coworking namens The Office Group zu arbeiten. Ich habe hauptsächlich an Projekten in Grossbritannien und Deutschland gearbeitet und mit Architekten und Designern wie Universal Design Studio, Note Design Studio, SODA Architects usw. zusammengearbeitet, um schöne Arbeitsräume zu schaffen. Nach fünf Jahren beschloss ich, London zu verlassen und einige Zeit in Australien zu verbringen, um australisches Design zu erforschen und schliesslich im Februar 2020 in Kopenhagen zu landen.
Ich war bereits mit den Produkten von &Tradition vertraut und habe viele Flowerpots und In Between Tische in Projekten verwendet! Und dank Menu hatte ich einen Vorgeschmack auf Produktdesign bekommen, als ich mit Norm Architects am Co Chair gearbeitet habe. Als sich also die Gelegenheit ergab, bei &Tradition als Head of Design einzusteigen, war ich bereit für diese Herausforderung.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag von dir aus?
Ich beginne meinen Tag gerne früh mit einem Kaffee und einem Käsebrötchen, dem klassischen dänischen Frühstück, in dem kleinen Café Little Petra und erledige dabei meine E-Mails. Wenn mein Arbeitstag erst einmal richtig losgeht, verbringe ich die meiste Zeit in Meetings und Catch-ups mit meinem Team. Während unseres halbstündigen Mittagessens nehme ich mir die Zeit, das köstliche Essen unseres hauseigenen Küchenchefs Søren West zu geniessen, was an einem arbeitsreichen Tag ein echter Genuss ist.
Was macht den Reiz von &Tradition für dich aus? Welche Designsprache ist charakteristisch für die Marke?
Die Mischung aus klassischen Designs mit zeitgenössischen und einem verbindenden Element, das beides harmonisch vereint. &Tradition ist eine der stärksten Marken, wenn es um das Potenzial des Wachstums einer Kollektion geht. Wir haben ein grosses skandinavisches Erbe als Basis, auf der wir die Kollektion aufbauen und sie mit verschiedenen internationalen Designer:innen und Einflüssen kombinieren, um echte Lieberhaberstücke zu erschaffen.
&Tradition steht für zeitloses Design und Qualität. Jedes Produkt kommt mit seinem eigenen Charakter daher und die Kollektion erlaubt es unseren Kund:innen, ihre eigene individuelle Identität zu schaffen. Ein weiterer grosser Anreiz ist das, was hinter den Kulissen passiert und die ganze Arbeit, die wir leisten, um eine Marke zu sein, die verantwortungsvoll mit der Umwelt und ihren Mitarbeitenden umgeht.
Inwiefern lässt du deinen persönlichen Stil und deine Persönlichkeit mit in die Designprozesse von &traditon einfliessen?
Für mich geht es bei Design um Ausgewogenheit, um das richtige Mass an Details und Materialien. Natürlich habe ich eine starke Meinung zu Designs, aber ich gebe mein Bestes, um objektiv zu bleiben und es sowohl aus der Designer:innen-Sicht als auch aus Sicht der Marke zu betrachten. Es ist wichtig, dass die Identität der Marke und die Identität der Designer:innen zu einem perfekten Produkt verschmelzen, sodass wir auf eine kohärente Kollektion und eine kohärente räumliche Darstellung bauen. Meine Persönlichkeit drückt sich am meisten in dem Prozess aus, ein Produkt oder einen Raum zu schaffen. Ich möchte sicherstellen, dass der Entstehungsprozess aufregend ist, dass sich mein Team herausgefordert fühlt und auf dem Weg dorthin Spass hat.
Deine Wohnung wirkt unheimlich hell und grosszügig – obwohl sie mit 65 Quadratmetern gar nicht so riesig ist. Wie schaffst du es, kleine Räume so einladend und offen wirken zu lassen?
Indem man tatsächlich einige grosse Möbelstücke wählt! "Weniger ist mehr" könnte man sagen. Ich habe mich für die tiefe und breite Version unseres Develius-Sofas entschieden, aber in einem hellen Stoff, sodass es dank der Wahl der Polsterung und der Designmerkmale des Sofas optimalen Komfort bei minimaler Präsenz gibt. Alles im Wohnzimmer ist zu den Fenstern hin ausgerichtet, wodurch sich der Raum bei der Nutzung super grosszügig anfühlt, weil man immer in Kontakt mit "draussen" ist. Den Drop Leaf-Tisch als Esstisch zu haben, ist eigentlich die perfekte Lösung für meinen kleinen Raum.
Wenn ich alleine zu Abend esse oder von zu Hause aus arbeite, benutze ich nur die halbe Platte und schaffe so mehr Platz um den Tisch herum. Und wenn ich Gäste habe, benutze ich den ganzen Tisch, was eine gemütlichere Atmosphäre schafft. In meiner Küche gibt es viel Platz, um sich zu bewegen und das Kochen zu erleichtern. Hier gibt es nur einen kleinen Tisch und eine Bank für den Fall, dass ich Freunde zum Abendessen zu Besuch habe und sie mich beim Kochen mit einem Glas Wein begleiten. Es ist der perfekte Platz für einen Aperitivo. Ich mag nicht zu viel Unordnung um mich herum, wenn ich schlafe. Das Geheimnis meines cleanen Schlafzimmers ist der Abstellraum daneben.
Du scheinst eher skandinavisch-minimalistisch eingerichtet zu sein – und dennoch wirkt deine Wohnung persönlich und abwechslungsreich. Wie kreierst du diese Balance?
Mit weissen Wänden! Die zwei persönlichsten Dinge, die man in meiner Wohnung finden kann, sind die Kunstwerke an den Wänden und die Objekte, die überall herumliegen. Es sind Stücke, die ich über die Jahre gesammelt habe, die aus der ganzen Welt kommen und die ihre eigene Geschichte haben. Die weissen Wände bilden den perfekten Hintergrund für die Kunstwerke und bei der Auswahl der Möbel habe ich mich auf Stücke konzentriert, die einen Rahmen für die Objekte bilden, aber gleichzeitig einen gewissen Charakter haben. Ich bin kein Freund kuratierter Räume, ich umgebe mich gerne mit Objekten, die eine persönliche Bedeutung haben, sodass sie eine gewisse Erdung bieten können. Was sehr wichtig ist, wenn man in andere Länder zieht.
Wie wichtig sind dir Farben beim Wohnen? Wie setzt du sie ein?
Ich mag eine ruhige Basis, um sie dann mit Farben zu injizieren. Ich mag keine Trendfarben auf wichtigen Möbelstücken. Wenn man in Qualität investiert, sollte man Materialien wählen, an denen man sich auch nach Jahren nicht sattsieht. Beleuchtung, kleine Beistelltische und Objekte sind die perfekten Möglichkeiten, um Farbe in die Einrichtung zu bringen – und diese Möglichkeiten koste ich gerne aus.
Wo ist dein persönlicher Rückzugsort in deiner Wohnung? Wo entspannst du dich am liebsten und lädst deine Batterien wieder auf?
Auf meinem kleinen Petra Lounge Chair. Es fällt mir schwer abzuschalten. Meditieren ist eine Möglichkeit, aber ich lese auch gerne ein Buch, während ich einen Kaffee oder ein Glas Wein trinke, je nach Tageszeit. Und dieser Loungesessel schreit nach Gemütlichkeit und Entspannung und ist der perfekte Ort zum Lesen und Zurückspulen.
Wie oft veränderst du etwas an deiner Einrichtung? Ziehen neue &Tradition Designs direkt in dein Zuhause ein?
Jedes Mal, wenn ich aufräume, wechseln alle Gegenstände und Bücher ihren Platz. Früher habe ich das auch mit den Möbeln gemacht, aber jetzt habe ich die perfekte Balance mit den richtigen Stücken gefunden. Und so geht mein Reinigungsprozess heute auch viel schneller. Dann teste ich auch viele neue Designs während ihrer Entwicklung, sodass jeden Monat immer etwas Neues hinzukommt und/oder etwas verschwindet.
Was ist dir am wichtigsten an einem Entwurf? Funktionalität? Form? Innovation?
Das Wichtigste am Design ist, dass es Gefühle in einem auslöst, gute oder schlechte. Design sollte einen nicht gleichgültig lassen. Es gibt einen schmalen Grat zwischen der Funktion und der Form, der ein Gleichgewicht schafft, damit man sich auf eine bestimmte Weise fühlt. Für mich funktioniert das eine nicht ohne das andere.
Was gefällt dir am Leben in Kopenhagen? Inspiriert dich die Stadt?
Das Leben in Kopenhagen ist so visuell ansprechend und idyllisch, besonders im Sommer. Alles und jeder ist schön. Das Licht ist unglaublich, die Food-Szene auch. Es ist sehr schwer, diese Stadt nicht inspirierend zu finden. Manchmal fühlt sie sich für mich ein wenig zu klein an, aber an den meisten Tagen geniesse ich das Leben in meinem "goldenen Dreieck" (Zuhause – Arbeit – Lieblingsfrühstücksplatz, alles ist innerhalb von 3 Minuten zu Fuss erreichbar).
Du hast ausserdem schon in Brüssel und in London gelebt. Wo würdest du sagen fühlst du dich am meisten zu Hause und wieso?
Mein Zuhause hat für mich mehr mit Menschen zu tun als mit einem Ort. Belgien wird immer meine Heimat sein, weil dort meine Familie und meine Kindheitsfreunde sind. Es ist ein Ort, an dem ich einfach 'sein' kann. In London hatte ich Schwierigkeiten, mich zu Hause zu fühlen, als ich dort lebte, weil es so hektisch ist und weil die Sinne ständig von allen Seiten und Winkeln stimuliert werden. Aber dann habe ich einige meiner besten Freunde, die dort leben, und wenn ich jetzt zurückkehre, fühlt es sich auch wie ein Zuhause an.
In Kopenhagen fühle ich mich am meisten zu Hause, wenn es darum geht, mit einem Ort verbunden zu sein. Ich habe wirklich Frieden in meiner Work-Life-Balance und in dieser Stadt gefunden. Obwohl ich von wunderbaren Menschen umgeben bin, geniesse ich es wirklich, in dieser Stadt allein zu sein.
Wie würdest du sagen, hat sich dein Verhältnis zu deiner Wohnung im vergangenen Jahr verändert? Was ist dir mittlerweile besonders wichtig, hat sich dein Fokus beim Thema Einrichtung seit Corona verschoben?
Als ich hierherzog, war die Idee, die meiste Zeit zu reisen und kaum Zeit zu Hause zu verbringen. Als Corona die Welt eroberte, war ich plötzlich gezwungen, zu Hause zu bleiben. Ständig. Also musste ich meine Wohnung in ein richtiges Zuhause verwandeln, einen Raum, in dem ich mich gerne jeden einzelnen Moment des Tages aufhalte, anstatt einen Ort, an dem ich nur ein paar Tage im Monat verbringen würde. Und dann liess ich mit diesen Online-Meetings plötzlich jeden in mein Zuhause, also nahm ich mir die Zeit, meine Wohnung bis ins Detail zu perfektionieren und mich mit Gegenständen, Büchern usw. zu umgeben, die ausdrücken, wer ich als Person bin.
Was glaubst du, wird Menschen in Zukunft bei der Einrichtung ihrer Stadtwohnung wichtig sein? Wohin geht der Trend für dich?
Ich würde es nicht als Trend bezeichnen, sondern eher als eine normale Reaktion auf die Situation der Welt, dass die Menschen ihre Persönlichkeit in ihren Räumen wirklich ausdrücken wollen. Und die Zeit für kuratierte und minimalistische Innenräume ist vorbei. Mehr eklektische Interieurs, gefüllt mit charakterstarken Objekten und Stücken, die etwas Spass und Wärme in unsere Räume bringen. Gleichzeitig geht es darum, das Draussen nach drinnen zu bringen, man kann nie zu viele Pflanzen haben, wenn man gezwungen war, die ganze Zeit drinnen zu bleiben.
Und wo soll es für dich in Zukunft hingehen? Hast du dir mit deiner jetzigen Wohnung einen Wohntraum erfüllt oder was steht noch auf deiner Wunschliste?
Mit meiner jetzigen Wohnung habe ich mir definitiv einen Traum erfüllt, die Lage und Grösse sind perfekt für mein Kopenhagener Leben. Mitten im Zentrum und in einem alten charaktervollen Gebäude, hohen Decken und viel Licht. Ich hatte sogar Glück mit einem für Kopenhagener Verhältnisse grossen Bad. In London war es immer mein Traum, im Barbican Viertel zu wohnen. Ich habe eine grosse Liebe für den Brutalismus und würde gerne einmal in einem brutalistischen Haus wohnen. Und dann ist da noch der ultimative Traum, am Strand zu leben. Ich könnte mir nichts Friedlicheres vorstellen, als meinen Morgenkaffee am Strand zu trinken und das Meer zu beobachten.
Beitrag vom 22.04.2022