Beitrag vom 13.10.2021, von Isabelle Diekmann
Thonet zählt zu den ältesten familienbetriebenen Herstellern der Welt und ist mit der revolutionären Produktion von Caféhausmöbeln in die Geschichte des Designs eingegangen. Und auch heute erfreuen sich die hochwertigen Möbel grösster Beliebtheit. Neben der ansprechenden, zeitlosen Formsprache haben die Stücke ihre Popularität vor allem auch ihrer hervorragenden Qualität und Langlebigkeit zu verdanken. Anlass für uns, mit Creative Director Norbert Ruf über Thonet und die Nachhaltigkeitsstrategie der Marke zu sprechen, die seit jeher in der Unternehmensphilosophie verankert ist und auf weit mehr fusst als auf ökologischen Produktionsprozessen.
Herr Ruf, als Creative Director sind Sie Teil der Geschäftsleitung von Thonet, einem der ältesten Möbelhersteller der Welt. Wie sind Sie zu Thonet gekommen? Erzählen Sie uns etwas über Ihre persönliche Laufbahn.
Von wie vielen Unternehmen kann man sagen, dass man auf und mit ihren Produkten gross geworden ist? Als mir die grosse Ehre zuteilwurde, gefragt zu werden, ob ich mich bei Thonet engagieren möchte, wollte ich natürlich. Nach Stationen bei Wilkhahn, Avarte, deSede und Dedon bedeutete Thonet für mich ein Schritt hin zu den Wurzeln der europäischen Möbelkultur – mit der Möglichkeit, das firmenspezifische Gestern mit dem Heute und einem Morgen zu verweben.
Erleben Sie Thonet selbst als Familienunternehmen? Ist ein Gefühl von familiärem Zusammenhalt bei einem Unternehmen dieser Grösse und dieses Erfolges noch möglich?
Auf jeden Fall. Wobei ich Familie im Kontext gerne anders formulieren möchte. Und zwar insofern, als dass wir – und ich denke, ich spreche für uns alle bei Thonet – uns dem Unternehmen sehr zugehörig fühlen: Wir halten zusammen und verfolgen gemeinsame Ziele. Die DNA der Marke Thonet lebt in jedem Produkt und ist immer Teil eines grossen Ganzen.
Wie sieht ihr Berufsalltag als Creative Director aus? Was gefällt Ihnen dabei am besten, was ist die grösste Herausforderung?
Wahrscheinlich klingt die Bezeichnung „Creative Director“ aufregender als es ist. Natürlich gehören Messebesuche oder der Austausch mit Designern zum Alltag. Sehr viel ist aber auch Systematik, Recherche und Projektsteuerung. Grossartig ist zu sehen, wie sich ein Unternehmen durch gezielte Massnahmen bewegen lässt und diese Veränderung auch wahrgenommen wird. Und natürlich fasziniert mich die Vielfalt der Themen, mit denen ich mich beschäftigen darf. Herausfordernd ist - speziell bei Thonet - die Historie des über 200 Jahre alten Unternehmens aktiv zu begreifen und mit dieser vorwärtsorientiert zu arbeiten.
Mit den Möbeln aus Bugholz und Stahl gelang Thonet Meilensteine des Industriedesigns. Mit ihnen erlangte das Unternehmen Weltruhm, der bis heute anhält. Spielen Innovationen und Mut zu neuen Designs immer noch eine grosse Rolle – oder konzentrieren Sie sich weiterhin vor allem auf die begehrten Klassiker?
Die Klassiker bilden die inhaltliche Substanz und den Kern unseres Portfolios. Diesen gilt es kontinuierlich respektvoll zu begleiten und mit einfühlsamen Weiterentwicklungen und Updates zeitgemäss zu halten. Parallel fühlen wir uns verpflichtet, auch nach vorne zu blicken, Themen aufzugreifen, welche die Gesellschaft aktuell beschäftigen und diese in Produktneuheiten zu übersetzen.
Seit jeher gelten die Möbel von Thonet durch die hochwertigen Materialien als besonders langlebig und nachhaltig, Damit ist Thonet Vorreiter für viele weitere Hersteller, die nachhaltig Möbel produzieren möchten. Was macht die Möbelproduktion bei Thonet so nachhaltig?
Die Produktion ist nur ein Aspekt in diesem Kontext. Zentral ist unsere grundsätzliche Haltung in Bezug darauf, wie Produkte sein sollen. Und das bezieht neben dem Aspekt der Herstellung auch Aspekte der Konstruktion und Reparierfähigkeit eines Produktes ein: Wir bieten als Unternehmen einen eigenen Reparaturservice an, der sich grosser Beliebtheit erfreut.
Thonet-Produkte müssen auch nach vielen Jahren der Benutzung nicht ausgetauscht, sondern höchstens an der ein oder anderen Stelle geringfügig repariert werden. Am wichtigsten ist in diesem Zusammenhang meines Erachtens, dass Abfallvermeidung heute wie früher vor Recycling geht. Für uns lautet das Ziel, Produkte zu entwickeln, die hinsichtlich ihrer visuellen und physischen Qualität die Fähigkeit haben, uns möglichst lange zu begleiten – also eine „Erbstückqualität“ aufweisen.
Unsere Empfehlung für Sie:Thonet
Ein gutes Beispiel hierfür ist unser Stuhl 214, für den wir just den Deutschen Nachhaltigkeitspreis gewonnen haben und der schon seit über 150 Jahren ein erfolgreiches Produkt in unserem Portfolio ist.
Als Unternehmen sind wir ausserdem gemäss der Din ISO 14001 zertifiziert. Hier steht die die Generierung und Implementierung eines unternehmensspezifischen und nachhaltigkeitsorientierten Managementsystems, das zahlreiche Einzelnormen zu Grunde legt, im Mittelpunkt und wird stetig von uns gepflegt.
Zur Nachhaltigkeit zählt bei Thonet jedoch nicht nur die Umwelt. Auch die Menschen und ökonomische Aspekte gehören zu den „3 Säulen der Nachhaltigkeit“. Erklären Sie uns die Mission und Vision dahinter?
Das „Drei-Säulen-Konzept der nachhaltigen Entwicklung“ - wie von der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages formuliert - geht von der Vorstellung aus, dass echte nachhaltige Entwicklung nur durch das gleichzeitige und gleichberechtigte Umsetzen von umweltbezogenen, wirtschaftlichen und sozialen Zielen erreicht werden kann. Diese Art zu denken und zu handeln haben wir im Rahmen unseres Umwelt-Managementsystems bei Thonet implementiert.
Die Auswirkungen der Klimakrise werden nun immer bedrohlicher für unseren Planeten und die zukünftigen Generationen. Haben Sie bereits neue Ansätze entwickelt, um als Unternehmen wirtschaftlich und dennoch klimaneutral bestehen zu können? Welche Strategie streben Sie hier langfristig an?
Mit der Implementierung des mehrdimensionalen Nachhaltigkeitsansatzes, der Umwelt, Wirtschaftlichkeit und Soziales verbindet, stellen wir zukunftsorientiert die Leistungsfähigkeit von Thonet sicher und verbessern uns kontinuierlich.
Und auf welche neuen Designs dürfen sich die Fans Ihrer langlebigen, nachhaltigen Möbel freuen? Was erwartet uns in der nächsten Saison?
Anlässlich der Milan Design Week 2021 haben wir im Rahmen eines Sneak-Previews erstmals unseren neuen Lounge-Sessel 119 nach einem Entwurf von Sebastian Herkner gezeigt, der anlässlich der imm Cologne im Januar 2022 offiziell lanciert wird. Darüber hinaus stellt die Auflage des S 43 K, der Kinderstuhl-Variante unseres klassischen Freischwingers von Mart Stam, in einer neuen Farbkollektion, die wir mit dem Hamburger Design-Duo Studio Besau Marguerre erarbeitet haben, eine erfreuliche Ergänzung im Portfolio dar. Und natürlich haben wir auch während der Pandemie kontinuierlich neue Möbel präsentiert, die es zu entdecken gilt. So zum Beispiel den vielseitig einsetzbaren Tisch 1140 von Studio Aisslinger oder die als „Raum-im-Raum“-nutzbare Weiterentwicklung des Sofaprogramms S 5000 von Marialaura Rossiello Irvine: Das Programm S 5000 Retreat.
Was ist Ihr Möbeltrend für den Herbst/Winter 2022?
Glücklicherweise sind wir aufgrund der Substanz unserer Produkte etwas befreit davon, jedem Trend hinterherzulaufen. Die neuen Beiztöne, die wir mit Studio Besau Marguerre für den Kinderstuhl S 43 K entwickelt haben, treffen meines Erachtens die aktuelle Tendenz zu einer eher natürlichen Farbigkeit sehr gut. Inspiriert von Mineralien und Edelsteinen, setzen die neuen Nuancen Farbakzente, ohne zu knallig oder kindlich zu wirken.
Beitrag vom 13.10.2021, von Isabelle Diekmann